G. K. Waite: Eradicating the Devil’s Minions

Cover
Titel
Eradicating the Devil’s Minions. Anabaptists and Witches in Reformation Europe, 1525–1600


Autor(en)
Waite, Gary K.
Erschienen
Toronto 2007: University of Toronto Press
Anzahl Seiten
319 S., 13 Abb., 3 Karten
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Georg Modestin, Bern

Das Problem, das diesem Buch zugrunde liegt, ist ebenso neuartig wie potenziell aufschlussreich: Lässt sich für das 16. Jahrhundert ein Zusammenhang zwischen der Verfolgung von Täufern und derjenigen von Hexen herstellen? Damit verbindet der Autor, Professor an der Universität von New Brunswick in Fredericton (Kanada), versuchsweise zwei Phänomene, die bislang getrennt behandelt worden sind und die auf den ersten Blick kaum Gemeinsamkeiten aufzuweisen scheinen. Ein historischer Präzedenzfall rechtfertigt jedoch diese Untersuchungsanordnung: Es handelt sich um die gegen eine andere «Sekte», die Waldenser, gerichtete Repression, die im frühen 15. Jahrhundert der aufkeimenden Hexenverfolgung Pate stand. Wenn schon fromme Waldenser zu Hexern und Hexen «diabolisiert» worden waren, so stellt sich die Frage, ob solches auch den gleichfalls frommen Täufern geschehen konnte, zumal beide Glaubensbewegungen strukturelle Ähnlichkeiten aufwiesen: Sowohl Waldenser wie Täufer verstanden sich als Reformbewegungen, die kirchliche Hierarchien verwarfen und die Verehrung von Heiligen und – dementsprechend – Reliquien sowie das «sakramentale System» (S. 18) ablehnten. Beide waren aufgrund des auf ihnen lastenden Verfolgungsdruckes gezwungen, sich heimlich zu versammeln; in beiden spielten Frauen als Glaubenszeuginnen eine besondere Rolle, wobei sich diese Eigenheit vorwiegend im frühen Waldensertum beobachten lässt. Solche Eigenheiten boten Angriffsflächen, die von katholischen und – im Falle der Täufer – auch lutheranischen Polemisten genutzt wurden.

Eine zusätzliche Eigenart des frühen Täufertums waren charismatische Führerpersönlichkeiten, deren Autorität auf «Visionen und einer speziellen Verbindung zum Göttlichen» beruhte (S. 18), worin der Verfasser eine Parallele zu angeblichen übernatürlichen Erfahrungen von Waldenserbrüdern sieht. In diesem Zusammenhang fällt auch das Wort «schamanistisch». Beides, sowohl der Begriff als auch die Vorstellung, die waldensischen Meister hätten bestimmte «Ekstasetechniken» entwickelt, geht auf die Rezeption eines umstrittenen Aufsatzes von Wolfgang Behringer zurück («Detecting the Ultimate Conspiracy, or how Waldensians became Witches», in: Conspiracies and Conspiracy Theory in Early Modern Europe. From the Waldensians to the French Revolution, hg. von Barry Coward und Julian Swann. Aldershot UK, Ashgate, 2004, S. 13–34), dessen spekulativer These wir uns nicht anschliessen können.

Natürlich soll ihre Adoption Gary K. Waites Studie nicht in Verruf bringen, umso mehr, als der Autor im Allgemeinen abwägend und vorsichtig argumentiert. In den untersuchten Räumen, d.h. in den Nördlichen und Südlichen Niederlanden, in Süddeutschland (ohne auf die Schweiz einzugehen) und im habsburgischen Tirol, lässt sich nämlich keine Überlappung von Täufer- und Hexenverfolgungen feststellen. Diese erfolgten jeweils phasenverschoben, wobei die Verfolgungsintensität örtlich höchst unterschiedlich ausfiel. Am auffallendsten ist in dieser Hinsicht der Paradigmenwechsel in den Niederlanden. Währenddem in den unter spanischer Herrschaft verbleibenden Südlichen Niederlanden die Täufer praktisch ausgelöscht wurden, kamen die Verfolgungen in den Nördlichen Niederlanden nach dem Abschütteln der fremden Oberherrschaft zu einem Ende. Was die Jagd nach vermeintlichen Hexen betrifft, so scheinen diese in den Südlichen Niederlanden die Täufer als Verfolgungsopfer abgelöst zu haben, währenddem in den Nördlichen Niederlanden die Verfolgung von Hexen zusammen mit derjenigen von Täufern abebbte.

Überblickt man sämtliche vom Verfasser berücksichtigten Untersuchungsräume, so lassen sich zwei Modelle ausmachen: Entweder alternierten Täufer- und Hexenverfolgungen zeitlich, oder aber die Bekämpfung der Hexen folgte derjenigen der Täufer auf den Fuss, was en gros, zumindest in den von der Täuferbewegung berührten Gegenden, die Wiederaufnahme von Hexenverfolgungen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erklären mag, nachdem letztere nach dem spätmittelalterlichen Auftakt vorübergehend «eingeschlafen» waren. Auf eine bislang nicht beachtete Weise scheint also die Jagd auf Täufer diejenige auf Hexen vorweggenommen, ja stimuliert zu haben, was der Autor u.a. mit den heimlichen Täufertreffen erklärt, welche die Zeitgenossen an die vom Hörensagen vertrauten «Hexensabbate» erinnert und bei ihnen Verschwörungsängste geweckt haben mögen. Weitere mögliche «Verbindungsbrücken» waren die Ablehnung der Kindstaufe täuferischerseits, die in der antitäuferischen Polemik mit «spirituellem Infantizid» (S. 195) gleichgesetzt wurde – von hier aus war es nur ein kleiner Schritt zu der den Hexen angelasteten Tötung ungetaufter Kleinkinder –, sowie die Frage der Realpräsenz in der Eucharistie, welche von den Täufern bestritten wurde. Die Analogie zu den Hostienfreveln, deren man die Hexen zieh, liegt auf der Hand.

Eine grosse Qualität der vorliegenden Studie ist, dass ihr Verfasser keine Theorien verkündet, sondern im übrigen plausible Möglichkeiten aufzeigt. Seine Schlüsse sind sprachlich durchwegs als Hypothesen gekennzeichnet, die – auch das spricht für das Buch – zu weiterem Nachdenken anregen.

Zitierweise:
Georg Modestin: Rezension zu: Gary K. Waite: Eradicating the Devil’s Minions. Anabaptists and Witches in Reformation Europe, 1525–1600. Toronto, University of Toronto Press, 2007. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 59 Nr. 2, 2009, S. 250-252.

Redaktion
Autor(en)
Beiträger
Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 59 Nr. 2, 2009, S. 250-252.

Weitere Informationen